Wer backt am Besten?

Die Geschichte vom kleinen Frieder und der Geburtsstunde des Siegerbäckers.

Es ist schon ganz schön lange her, dass in einem kleinen Dorf, hier ganz in der Nähe, ein großes Fest und zu diesem Anlass ein noch größerer Backwettbewerb statt fand.

Der kleine Friederich, einer der Dorfjungen, wollte unbedingt daran teilnehmen. Doch niemand nahm ihn ernst und alle lachten ihn nur aus. Nun lief er in aller Herrgottsfrühe durch den Wald und überlegte, was er denn wohl backen könnte. Schon in zwei Tagen war das Fest, es blieb ihm also kaum noch Zeit. Plötzlich saß vor ihm, auf einem riesigen Fliegenpilz, das kleine Sauerländer Mühlenmännlein. Freundlich fragte es den Frieder, was ihm denn so Kopfzerbrechen bereiten würde und so erzählte Frieder von dem Backwettbewerb, den er doch so unwahrscheinlich gerne gewinnen wollte und seinen Sorgen. Da rieb sich das Männlein erst ein wenig das linke Ohr, dann ein wenig das rechte Ohr und dann noch ein klein wenig die Nase und rief:

„ Frieder, du backst ein Brot für den Wettbewerb, aber ein ganz Besonderes soll’s sein!“ Der Frieder konnte es kaum glauben. „Ein Brot? Mehr nicht? Damit werde ich sicher den letzten Platz belegen“, dachte er. Doch das Männlein überlegte gar nicht lang, formte seine kleinen Hände zu einem Kelch und hielt sie dem Jungen hin. Zu seinem Erstaunen erblickte Frieder darin das plätschernde, wirbelnde und klare Wasser eines Baches. Ihm wurde ganz schwindelig und er musste die Augen schließen. Als er sie wieder öffnete, befand er sich plötzlich in einer seltsamen, geheimnisvollen und steinalten Mühle aus einer längst vergangenen Zeit, doch neben ihm stand immer noch das Männlein und kicherte. „So wollen wir unser Tagwerk beginnen Friederich!“, rief es, schüttete einen Sack Roggenkörner in einen großen Holztrichter und setzte dann mit ein paar Hebeln das Mühlrad mit dem hölzernen Getriebe in Gang.

Nun rumpelte und knirschte es in der dunklen Mühle und die Mühlsteine fingen langsam an zu mahlen. Nur wenig später rieselte unten in der Mühle feinstes, frisches Mehl in einen aufgespannten Sack. Mit dem frischen Mehl ging es nun weiter in eine alte Backstube. Hier duftete es ganz zauberhaft nach Plätzchen, Teig, Brot und Rauch. Es war dem Frieder wie im Märchen. Das Mühlenmännlein kramte einen kleinen Zettel mit einem uralten Rezept hervor und erklärte dem Frieder nun haargenau und mit sehr viel Geduld, was nun gemacht werden musste: zunächst wurde das feine Roggenmehl mit dem frischen Wasser zu einem Sauerteig vermischt, der bis zum nächsten Abend ruhen musste – dabei durfte er nicht gestört werden, was dem Frieder schwer fiel, denn er war neugierig und hätte zu gerne den Deckel gehoben, mit dem der Sauerteig zugedeckt war, um zu schauen was dort passiert. Am nächsten Abend, als er dann endlich nachgucken durfte, staunte er: obwohl der Deckel die ganze Zeit geschlossen war, war jetzt mehr als doppelt soviel Sauerteig in dem alten Bottich! Das Mühlenmännlein sah sein erstauntes Gesicht und sagte, dass dies das Geheimnis des alten Sauerteigs wäre – kein Mensch weiß wie das geht aber ohne Sauerteig kann man kein leckeres Brot mit Roggenmehl backen! Das uralte Mühlenmännlein holte nun noch mehr Roggenmehl, etwas Weizenmehl, Salz und noch mehr frisches, quicklebendiges Wasser und zusammen vermischten sie daraus einen Brotteig.Dem Frieder kam es vor wie eine halbe Ewigkeit, bis das Mühlenmännlein endlich mit dem Ergebnis zufrieden war und vor Freude in die Hände klatschte, dass es nur so staubte.

Nachdem der Teig eine ganze Weile geruht hatte, musste der Frieder ihn in den vorgeheizten Backofen schieben. Immer wieder schaute das Mühlenmännlein nun in den Backofen, legte Holz nach, schloss mal eine Klappe hier, öffnete mal eine andere dort und zeigte dem Frieder alles bis ins aller Kleinste. Dann endlich war es so weit und er durfte das fertige, heiße Brot aus dem Ofen ziehen. Wie das duftete! Wie wunderbar es aussah mit der dunklen, herben Kruste. Der Friederich hatte eine seltsame Freude bei der Arbeit verspürt.

Mit Hingabe, Eifer und Sorgfalt war er bei der Sache gewesen, hatte viel gesehen und gelernt. Er fühlte sich stolz und glücklich und bedankte sich ehrlich und höflich bei dem kleinen Mühlenmännlein. Das wünschte ihm viel Glück und klopfte sich dann kichernd das Mehl aus seinem Wams, dass es wieder gehörig staubte. Für einen Moment war nichts mehr zu sehen.

Als sich der dichte Mehlschleier wieder lichtete, stand der Frieder wieder im Wald vor dem Fliegenpilz, wo er zuvor das Mühlenmännlein getroffen hatte. Wie lange mochte das wohl her sein? Eine Stunde? Einen Tag? Oder war es nur ein Traum gewesen? Doch da entdeckte er neben sich auf einem weißen Leinentuch das warme, köstlich duftende Brot das er gebacken hatte. Es war also doch kein Traum gewesen! Plötzlich hörte er Stimmen und Lärm vom Dorfplatz her. Es war schon der Feiertag. Das Fest war anscheinend schon in vollem Gange und der Frieder beeilte sich nun mit seinem Brot noch rechtzeitig zum Backwettbewerb zu kommen.

Als er ankam lagen bereits alle Backwaren, hauptsächlich Kuchen und Torten, auf einem langen Tisch und gerade noch rechtzeitig konnte der Frieder sein Brot dazu legen. Vorne am Tisch fingen die Preisrichter auch schon an zu kosten, zu schmecken, zu schauen, miteinander zu tuscheln und zu vergleichen. Sie probierten sich langsam durch die lange Reihe der Backwaren und kamen schließlich und endlich auch zu Friederichs Brot. Der Friederich wurde mit seinem „gewöhnlichen Brot“ von Allen nur müde belächelt. Aber kaum war sein Brot entzweigeschnitten, entfaltete sich augenblicklich ein solch köstlicher Duft, dass sich alle mit großen Augen anschauten und mit ihren großen Nasen ganz nah heran kamen. Jetzt fingen die Preisrichter an zu probieren, erst ein ganz kleines Stückchen, dann ein Zweites, dann ein Drittes, Gemurmel, verwunderte und entzückte Blicke, dann ein weiteres Stück, wieder Getuschel und gegenseitiges Zunicken und eh man sich versah, war auch nicht das kleinste Krümelchen mehr übrig. Doch das war egal, denn das Preiskomitee war sich auf der Stelle einig: Friederich war der Siegerbäcker! Er hatte den Backwettbewerb tatsächlich gewonnen.Und das wurde nun gefeiert. Da wurde geklatscht, gelacht und gestaunt. Alle freuten sich und ließen den Frieder immer wieder hochleben, bis in den Abend hinein.

Michael Klute, der Mundwerker. Entdecker und Freund des sauerländer Mühlenmännleins.
Zeichnungen: Maja Funke


Erst viel später fand der Frieder heraus, was sein Brot so köstlich machte. Vor allem das ganz frische Mehl, das „besondere und lebendige“ Wasser, der geheimnisvolle Sauerteig und die viele Zeit, in der er ungeduldig gewartet hatte, waren das Geheimnis.

Erst vor 30 Jahren fand man in der Mühle der Mühlenbäckerei Vielhaber den kleinen Zettel mit dem uralten Rezept des Mühlenmännleins wieder und probierte es sofort aus. Da Vielhaber´s Bäcker sich genau an die Vorgaben (frisches, selbstgemahlenes Roggenmehl, quicklebendiges Quellwasser aus den Stockumer Bergen, Sauerteig und viel Zeit) hielten, bekamen sie ein ganz einzigartiges, tolles Brot. Da die Geschichte von Friederichs Sieg beim Backwettbewerb bekannt war, nannten Vielhaber´s Bäcker das Brot : “Siegerbäcker“. So oder so ähnlich könnte es sich abgespielt haben.

Wahr an dieser Geschichte sind sicher die Erfolgszutaten: Mehl, Wasser, Sauerteig und Zeit. Ergänzt wurden diese noch um ein besonderes Salz. Dadurch schmeckt Vielhaber´s Brot – und besonders das Siegerbäcker – so kraftvoll und würzig, und zwar nicht nur ofenfrisch, sondern auch noch nach einigen Tagen!