Vom Wünschen
War einmal eine Bäuerin aus dem Sauerland beim Preiselbeeren pflücken. Da sprang über ihr ein Eichhörnchen von Ast zu Ast. Drauf saß, ganz klein, das Sauerländer Mühlenmännlein.
Die Frau erschrak, das Männlein auch und purzelte, ach herrjemine, der Bäuerin in die Schürze. Die schlug ihre Schürze schnell zusammen und das Mühlenmännlein war gefangen. „Lass mich raus, lass mich raus“ bettelte es, „darfst dir auch was wünschen!“ „Wünsche mir, dass ich zaubern kann“, sagte die Frau. „Dazu braucht’s hundert Jahre und mehr“, rief das Männlein, „hab selber noch nicht ausgelernt. „Will ja nur ein kleines bisschen zaubern, nur so zum Spaß“, meinte die Bäuerin. „Nun gut, wie du meinst“ sprach da das Mühlenmännlein, gab ihr eine Wurzel, die musste sie zerreiben und dazu sprechen: „ Birum, Borum, Barum, alles Gerade werde krumm, alles Krumme gerade, Pirre, Porre, Parade.“
Und schwupp, war das Männlein wieder verschwunden. Nun war die Bäuerin aber recht neidisch und gönnte Keinem etwas Gutes, und als sie wieder ins Dorf kam, rieb sie an der Wurzel, sagte ihr Sprüchlein und fing gleich an mit ihrer Zauberei. Der Nachbarin wünschte sie eine dicke, rote Rotznase, dem Herrn Pfarrer ein paar Hühneraugen, dem Schuster gemeine Kreuzschmerzen, der Müllerin einen krummen Buckel und der Frau Lehrerin eine große Warze auf die Nase. Und so wünschte sie fleißig Tag für Tag weiter, bis ihr jeder aus dem Weg ging. Denn es sprach sich herum, sie müsse den bösen Blick oder sonst was haben. Aber die Bäuerin sollte nicht froh werden mit ihrer Zauberei. Denn bald wurde sie selbst von allerhand Gebrechen geplagt, als da wären: kalte Füße, Warzen, Hühneraugen, Atemnot, Kreuzschmerzen und einen Buckel, tränende Augen, ein schiefes Maul und so weiter und so fort. Da wünschte sie sich oft, sie wäre gesund, nahm die Wurzel und sagte ihr Sprüchlein auf. Aber es half nichts. „Das Männlein hat mich betrogen“, wetterte sie und drohte mit der Faust nach dem Wald.
Als sie sich nun eines Tages mit ihren sämtlichen Gebrechen wieder einmal mühsam zur Mühlenbäckerei schleppte, entdeckte sie mit einem Mal das Männlein auf einem Stein am Bächlein. „Hab lange nichts von Dir gehört, wie geht’s dir denn mit deiner Zauberei?“ rief das Mühlenmännlein fröhlich. „Hat mir nur Unglück gebracht, dein Sprüchlein“, schimpfte die Alte da gehörig, „und du hast es gewusst.“
„Au weia, hast böses gewünscht, wie?“ fragte das Mühlenmännlein, „fällt doch auf dich zurück, früher oder später. Musst Gutes wünschen, dann wird’s dir auch gut ergehen.“ „Dass ihr Menschen das nicht wisst“, wunderte sich das Männlein noch und schwupp, war es auch wieder verschwunden.
Da fing die Bäuerin endlich an Gutes zu wünschen, so schwer es ihr auch fiel. Der Herr Pfarrer verlor die Hühneraugen, den Schuster plagten keine Kreuzschmerzen mehr, der Buckel der Müllerin verschwand und ebenso die Warze der Dorflehrerin.
Und noch viel mehr geschah im Dorf - Birum, Borum, Barum! – es war wieder eine Lust zu leben. Auch der Bäuerin ging’s wieder gut, nur ein schiefes Maul behielt sie zurück, zum Andenken an ihre Hexerei.
Ach ja, beinahe hätte ich’s vergessen. Die Nase der Frau Nachbarin war und blieb weiterhin rot und dick angeschwollen und lief wie ein Mühlbach. War aber auch ein zänkisches und übellauniges Weib und dagegen hilft auch kein Birum, Borum, Barum.
Woll!?
Nach einem alten Märchen von Roderich Menzel.
Bearbeitet von Michael Klute, dem Mundwerker.
Entdecker und Freund des sauerländer Mühlenmännleins.
Zeichnungen: Maja Funke